In den Fängen der Rednecks– 3. Artikel in NZ
Nachdem wir eine Woche mit John und Dorothy verbrachten, freuten wir uns bereits auf unseren nächsten Job. Wir hatten über ein Internetportal (www.backbackerboard.co.nz) Kontakt mit einem Farmer aufgenommen und abgeklärt, dass wir für unbestimmte Zeit bei diesem anheuern konnten.
Im Vorhinein waren wir darüber sehr glücklich. Ich wollte unbedingt einmal die Erfahrung machen und auf einer einfachen Farm in Neuseeland arbeiten.
Nach 1 ½- stündiger Fahrt kamen wir im Ort Wakatiwai an und fuhren auf das Grundstück der Eheleute. Dort begrüßte uns zuerst die Ehefrau, der Ehemann kam wenig später dazu. Was sofort auffiel: Die Beiden waren sicherlich nett, bedienten das Klischee von den Hinterwäldler-Farmern aber doch recht stark.
Nach kurzer Unterhaltung wurde uns erklärt, dass wir uns für 100$ pro Woche ein kleines Häuschen, welches sich im Besitz der Familie befindet, mieten und dort wohnen könnten. Dies hörte sich sehr attraktiv an, jedoch erklärten sie nebenbei , dass man das Häuschen etwas aufräumen müsste, da die vorherigen Besitzer unordentlich waren.
Man bat uns also darum, dort etwas aufzuräumen und betonte, dass man uns auch dafür bezahlen wolle. Das hörte sich am Anfang ja alles ganz gut an.
Vor Ort bot sich uns jedoch ein unbeschreibliches Bild. Dieses Häuschen sah aus, wie ein frischer Tatort. So etwas habe ich selten gesehen und in diesem Moment kippte die gesamte Stimmung.
Es lagen einzelne Kinderschuhe in der Gegend rum, zwei verrostete Fernseher, zerstörte Waschmaschinen, benutze Windeln, zerrissene Kleidung, ein kaputter Kinder wagen, kaputtes Besteck und das
Schlimmste: Eimer mit menschlichen Fäkalien.
Wir mussten Eimer mit menschlichen Fäkalien wegräumen…
Die Dusche funktionierte nicht, es gab weder fließendes Wasser noch Gas.
Und diese beiden Personen haben uns ernsthaft gefragt, ob wir dort wohnen wollten.
Du kannst dir bestimmt vorstellen, mit was für einer Begeisterung wir dieses Caos aufräumten.
In diesen Situationen frage ich mich immer: „Wo und wie bin ich eigentlich hier wieder herein geraten?“.
Ein weiters Beispiel für so einen Gedankengang ereignete sich in Muriwai.
Ich war gerade den zweiten Tag dort, kannte die Familie nicht recht und wurde von der Mutter zur Seite genommen. Sie grinste mich an und erklärte mir, dass eine ganz besondere Aufgabe auf mich zukommt und diese kein Backpacker zuvor gemacht hat. Ich wurde dort schon etwas misstrauisch.
Wie sich herausstellte zurecht. Die Aufgabe war nämlich, die unterirdische Wasserzisterne zu reinigen. Diese war drei Meter tief und hatte nur einen Ausgang, welcher durch schwere Steine verschlossen wurde. Die Mutter und der Vater öffneten mit Hilfe eines Brecheisens die Zisterne, befestigten eine Leiter und teilten mir lachend mit, ich könne nun loslegen.
Stellt euch nun vor, ihr steht in einer unterirdischen Zisterne, das Wasser kniehoch, blickt nach oben und seht den einzigen Ausgang. Dieser Ausgang ist so klein, dass ihr gerade eben durchpasst. Neben diesem Ausgang befindet sich ein Brecheisen und ein schwerer Stein, welcher dich für immer dort festhalten könnte.
Ich muss ganz ehrlich sagen, es gab angenehmere 20 Minuten in meinem Leben und eben dieser „Wie zum Teufel bin ich hier gelandet?!“-Gedankengang ging mir mehr als einmal durch den Kopf.
Ebenso wie an diesem besagten Tag, an welchem wir das „Crack-Haus“, wie ich es liebevoll nenne, reinigten.
Das mulmige Gefühl, welches dort seinen Anfang nahm, breitete sich jedoch noch aus.
Unsere nächste Aufgabe war es, Herbizide auf Unkraut zu sprühen. Hört sich simpel und erträglich an. Ist der Kanister auf deinem Rücken jedoch undicht und die Herbizide, welche nicht gerade für ihre körperpflegenden Eigenschaften bekannt sind, laufen dir vom Rücken herunter, dann sieht alles wieder anders aus.
Den Rest gab uns aber ein weiteres Geschehnis:
Wir standen auf den Wiesen, neben ca. 200 Kühen und sprühten ganz unschuldig Herbizide auf Unkraut. Plötzlich hörten wir lautes Gebrüll:
„Where are my fucking gumboots?! Who has stolen my gumboots?! What the fuck!”
Siyar und ich guckten uns verwirrt an. Dennis, der Chef, stand mit seiner, für sein Geschlecht, wirklich viel zu kurzen Hose auf dem Balkon und schrie uns unentwegt an.
Wir stapften perplex zu seinem Haus zurück, wo er uns erneut mit den Worten „Where are my fucking gumboots?! You have stolen them!“ empfing.
Ein angenehmer Zeitgenosse.
Scheinbar hatte ich von den fünf Gummistiefeln, welche in einer Reihe standen und gleich aussahen, die gleiche Größe hatten und gleich verdreckt waren, ausgerechnet seine angezogen. Da uns
die Gummistiefel von der Familie angeboten wurden um besser arbeiten zu können, verstand ich nicht ganz die leichte Reizung, welche ich aus dem Geschrei von Dennis entnahm.
Naja, auf jeden Fall machten wir danach galant die Fliege.
Diese vier Tage dort waren sehr lehrreich. Von einer Familie, bestehend aus Akademikern (John and Dorothy), in eine solche „Hinterwäldler –Familie“ zu geraten, zeigt einem den Kontrast, wie es einen treffen kann, doch sehr stark.
Wir waren auf jeden Fall froh, als wir dort wegfuhren. Dennoch sind es diese Geschichten, die diese Reise interessant machen und worüber man später gemeinsam lacht. Die Betonung liegt auf später, da wir erstmal ein paar Tage brauchten, um das alles zu verdauen.
Ich hoffe, du konntest wenigstens direkt darüber lachen.
See you soon,
Florian.
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Nelly (Montag, 18 Dezember 2017 00:55)
Okok das hörte sich WIRKLICH nach einer crazy aber spannenden Erfahrung an !! Viel Spaß noch auf der weiteren Reise !!