Das Maori Tattoo; Teil 2 - 6. Artikel in NZ

Am nächsten Morgen schmierte ich die Hühnchensandwiches und machte mich auf dem Weg ins Studio.

Dort angekommen erwartete mich Darby bereits.

Die Sandwiches wurden ausgepackt, der Kaffee serviert und so konnte die Unterhaltung beginnen:

Diese Konversation glich einer Durchleuchtung meines Lebens.
Dabei hätte ich nicht gedacht, wie persönlich die Fragen doch waren.
Es ging um meine Vergangenheit, meine Schullaufbahn, meine Familie, meinen Werdegang, meine Fortschritte, meine Rückschläge und meine Zukunft.

Die Themen Familie und Zukunft standen dabei im Vordergrund.

Als ich Darby erzählte, ich wolle in der Zukunft Psychologie studieren, blitzen seine Augen auf. Er berichtete mir, dass er selbst Medizinmann sei und sich um Menschen kümmere, die Gott zu ihm schickt. Er wäre von 9-11 Uhr Medizinmann und im Anschluss Tätowierer. Es kämen viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern zu ihm, die, ohne es zu wissen, Hilfe bräuchten. Diese würden durch das Schicksal in seinen Laden geführt. Er guckte mir tief in die Augen und sagte: „They are like sheeps. They need help, but don´t even know it. And so are you.”

Darüber dachte ich lange nach. Brauchte ich wirklich Hilfe? War es wirklich Schicksal, welches mich in Darbys Laden führte? Es war ein riesiger Zufall, doch steckte vielleicht mehr dahinter?

Diese Gedankengänge verfolgen mich heute immer noch.

Wir fuhren fort und tauschten uns gegenseitig über das Thema „Menschen heilen“ aus. Ich erklärte ihm, weshalb ich Psychologie studieren möchte und er hörte aufmerksam zu.

Darby schien diese Beweggründe zu verstehen und sie selber am Anfang seiner Reise verspürt zu haben. Er erklärte mir seine Ansicht der Grundlagen der menschlichen Gesundheit.

In der Maorikultur gibt es acht Rezeptoren, welche sich auf die menschliche Gesundheit auswirken. Diese wirken sich auf die Gesundheit aus bzw. lösen bei negativen Einflüssen, Krankheiten und Depressionen aus.

Dazu gehören body, mind, heart, spirit, will, passion, etc.

Über das Thema “heart” redeten wir längere Zeit.

 

“You see it all the time in the Western world. There are people with a good health and mind. But they are walking through the streets like dead men. How is this possible? Because they have a broken heard. In the Western medicine, there´s no therapy for this. They only know body and mind. In the Western world, these people are healthy. Here it´s different!”

In der Tat habe ich in Deutschland noch nie erlebt, dass ein Mensch, der an einem gebrochenen Herz leidet, zum Arzt gehen kann. Dabei ist dies doch eines der schlimmsten Dinge, welche einem passieren kann. 

Ich weiß nicht, ob du jemals so etwas erlebt hast.

Meinerseits muss ich ehrlich sagen, dass ich diese Erfahrung einmal in meinem Leben gemacht habe und Darbys Ansatz daher verstehen kann.

Dieses gebrochene Herz kann manche Menschen völlig aus der Bahn werfen, ohne, dass es gesellschaftlich als wirkliches gesundheitliches Problem deklariert wird.
Ich möchte hierbei ehrlich sagen, ich nutze die Zeit in Neuseeland auch als Selbstfindungsphase. Ich hatte in Deutschland oft das Gefühl, dass vergangene Erlebnisse mich zurückhalten und ich von bestimmten Ereignissen geprägt bzw. blockiert bin.

Ich kenne zudem viele Menschen, auf welche Darby´s Theorie zutrifft.
Diesen Menschen geht es körperlich und auch geistig gut, jedoch hat ein bestimmtes Ereignis ihr Herz gebrochen und das merkt man deutlich.

Dies ereignet sich meistens bei der Auflösung einer Beziehung.

Ein Beispiel wäre, dass zwei Liebende sich trennen und der allseits bekannte Liebeskummer einsetzt.

Ein weiteres Beispiel wäre, dass man bei Trennung der Eltern für ein Mitglied Partei ergreifen und sich zwischen den Elternteilen entscheiden muss.

Oder auch, dass man durch die Trennung mit dem Partner etwas, wie zum Beispiel das Sorgerecht oder allgemein das Recht seine Kinder zu sehen, verwehrt bekommt.

 

Der Schmerz und Schaden, welcher bei solchen Ereignissen entsteht, macht sich vielleicht auch in den ersten Wochen und Monaten auf körperliche und geistige Weise bemerkbar.

Man fühlt sich schlapp, hat Kopfschmerzen, ist unmotiviert, fällt in ein Loch, etc.

Doch dies vergeht nach einiger Zeit erfahrungsgemäß. Egal, wie schlimm die Situation ist, der Mensch gewöhnt sich irgendwann daran und die körperlichen und geistigen Probleme nehmen ab.

Was ich jedoch beobachtet habe ist, dass abgesehen von diesen beiden Rezeptoren, das Herz nicht so schnell heilt. So geht es den Menschen scheinbar wieder gut, doch ihr Herz ist auch nach Monaten und Jahren noch gebrochen. Sie sind ansprechbar, stehen normal im Leben, fühlen sich geheilt und normal. Doch man merkt deutlich, dass etwas an ihnen nicht stimmt. Dass etwas an ihnen nagt und Lebensqualität raubt. Dass sie sich nicht, mit ganzen Herzen, für etwas Neues begeistern können und eine Grundtraurigkeit haben. Manchmal vergessen diese Menschen sogar, dass es ihnen schlecht geht und man hat ein paar glückliche Stunden mit ihnen. Man erkennt die alte Person, die man von früher kannte. Jedoch fällt diese, irgendwann, von allein zurück in den Zustand des gebrochenen Herzens.

Es geht ihnen also geistig und körperlich gut, aber sie sind trotzdem nicht wirklich gesund.
Sich medizinisch auf das Thema „heart“ zu konzentrieren, finde ich daher sehr sinnvoll.

Hast du so etwas schon einmal erlebt und kannst mir bei diesem Gedankengang folgen?

 

Ich verstand Darby´s Ansätze also und wollte mehr erfahren. Wir tauschten uns, gerade über dieses Thema, noch längere Zeit aus. In dieser Zeit lernte ich einiges und ließ viele Dinge, die sich in meiner Vergangenheit zugetragen hatten, Revue passieren.

Plötzlich stoppte er mit der Unterhaltung. Er fragte mich, ob ich nun bereit sei, tätowiert zu werden.

Ich überlegte… Dies ist ein großer Schritt. Jedoch vertraute ich Darby mittlerweile. Er kannte mich nun, verstand was ich werden möchte und meine Beweggründe. Zudem gab er mir das Gefühl, durch dieses Tattoo eine neue Reise anzufangen, welche mich im Leben immer voranbringen wird.

Ich stimmte also zu.

Das Design:

Da es mein erstes Tattoo war, wusste ich nicht genau, wie wir das Design am besten herausarbeiten sollten. Darby zeigte mir jedoch, wie einfach das geht. Er nahm zwei Filzstifte und zeichnete mit seinen „Fingern“, ganz frei, ein Motiv auf meinen Arm.
Innerhalb von zwei Minuten war das Motiv fertig. Er erklärte mir, was das Tattoo ausdrückt.

Allgemein ist es ein Tattoo eines Medizinmannes.

Der Vogelkopf steht für Wissen. Wissen, welches ich mir aneignen muss, um Menschen zu helfen. Wissen, welches ich brauche, um mein Psychologiestudium zu absolvieren. Die Zähne, welche sich unter dem Schnabel befinden, stehen für Durchsetzungsvermögen. Der Prozess, sich Wissen anzueignen, ist nicht immer einfach. Diese Zähne stehen symbolisch dafür, dass ich mich durchbeißen werde. Das Auge, welches auch noch zu sehen ist, wenn ich mit dem Rücken zu dir stehe, steht für Wachsamkeit. Diese Tugend wird auch benötigt, um sich Wissen anzueignen und Menschen zu analysieren. Zudem schützt es meinen Rücken vor Menschen mit schlechten Absichten, welche ich Dank des Auges sehen kann.

Die Wellen stehen symbolisch für meine Familie, wobei jede Welle für ein Familienmitglied steht.

Dieses Tattoo ist also für mich gemacht und beschreibt mich.
Mir gefiel das Design sehr gut, jedoch wollte ich das Tattoo etwas größer und dichter haben.
Darby sagte zu mir, dass ich mit 19 Jahren am Anfang meiner Reise stünde. Die Größe sei für meine Situation genug. Ein Größeres würde er mir nicht machen.

Das beeindruckte mich. Er könnte mehr Geld verdienen, würde er mir ein größeres Tattoo stechen. Er verweigerte das jedoch, da er es nicht für richtig hielt.

Dieser Mann gewann mein Vertrauen und mein Ansehen. Dies ist der Hauptgrund, weshalb ich mich dafür entschied es zu machen.

Jedoch redeten wir noch etwas über das Design. Was Darby auf meine Schulter malte, dies war nur eine grobe Skizze. Ich fragte ihn, wie das fertige Tattoo aussähe, welche Farben er benutze, wie er die Linien ausfülle und was für Muster er benutzen würde. Er antwortete nur: „Do you trust me?“

Ich bejahte dies. Dann fing er an zu tätowieren. Ohne, dass ich wusste, wie das Endresultat aussehen würde.

Definitiv die verrückteste Entscheidung meines Lebens.

Ich saß da und realisierte: Ich lasse mich von einem Maori tätowieren, den ich vorz wei Tagen kennen gelernt hatte. Er hat nur drei Finger, die Restlichen sind verkrüppelt. Ich weiß nicht einmal, was er mir genau auf die Haut sticht. Trotzdem tat ich es. Verrückt…

Ich tat es aus dem einfachen Grund: Ich  vertraute ihm und wusste, dass mich dieses Tattoo beschreibt, dass ich dieses Tattoo bin!

Der ganze Tattoo-Prozess dauerte sechs Stunden. Darby verbot mir über die gesamte Zeit  auf sein Werk zu schauen. Ein komisches Gefühl, nicht genau zu wissen, was kommt.
Diese sechs Stunden kamen mir ewig vor. Der Schmerz beim Tätowieren ist schwer zu beschreiben. Ich habe es als eine Art angenehmen Schmerz empfunden, der einen nach einigen Stunden jedoch auslaugt. Da Darby eigentlich meinte, es würde nur zwei Stunden dauern, die Grundlinien des Tattoos jedoch sehr dick waren, zog sich alles weiter in die Länge.

Am Ende war ich also ziemlich erschöpft und froh, dass ich endlich in den Spiegel gucken konnte.
Ich konnte endlich mein Tattoo sehen und mir gefiel sehr, was ich sah.

Gerade die Geschichte, welche hinter allem steckt, ist es, was es für mich so besonders macht.

 Ich bin mir sicher, diese werde ich in einigen Jahren noch strahlend berichten können.

Das Tattoo ist jedoch noch nicht fertig. Ich gab Darby Recht, dass die Größe für die jetzige Zeit erstmal ausreichte. Am Ende meiner Reise in Neuseeland werde ich jedoch noch Ergänzungen vornehmen.

Dazu kommt dann bestimmt ein neuer Artikel.

Bis dahin kannst du mir gerne (auch privat) schreiben, wie dir das Tattoo gefällt und was du über die Geschichte denkst.

Glaubst du an Schicksal? Was hältst du von den Ansätzen der Maoris? Was hältst du von der „broken heart“ Theorie?

 Ich bin gespannt!

See you soon,

 

Florian!

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Kommentare: 2
  • #1

    Geli/Angi (Sonntag, 14 Januar 2018 11:42)

    Mega gut Flo!!! Deine Geschichte und das Tattoo!! Ein Maori Tattoo ist bei mir leider diesmal nicht drin aber gaaaanz ober auf der Bucketlist!!

  • #2

    Tobias Garcia (Freitag, 09 Februar 2018 19:05)

    Eine sehr interessante Geschichte. Gefällt mir sehr gut und die Tätowierung ist auch besonders. Muss ein faszinierender Mann gewesen sein.
    Bin gespannt auf weitere Erlebnisse.